Ein Kunstwort, eine literarische Erfindung. Man hat den Geist der Zeit begriffen, das Wort aufgeschrieben und veröffentlicht. In der Romantik, als Nebenbegriff zu Heimweh.
Hänschen klein entstand ebenfalls zu der Zeit.
Es ist die Zeit des Auswanders und der Kolonialbildung. In den Städten wird es eng, das Essen wird knapp oder woanders schmeckt es besser, raus in die Welt und gucken, was es woanders gibt.
Reisen wird Bildungsanspruch.
Goethes Italienreise bildet eine literarische Grundlage. Reisen ist Teil persönlicher Entwicklung.
Häfen und Bahnhöfe sind die Orte, an denen das Fernweh geweckt wird. An ihnen erlebt man Aufbruchstimmung, Abschied und Möglichkeit. Der bittersüße Geschmack von Heimweh und Fernweh vereint.
Neben Fernweh gibt es Abenteuerlust und Neugier. Große Geschichten beginnen mit Fernweh, Moby Dick, Der Herr der Ringe, Die Schatzinsel, Robinson Crusoe, Die unendliche Geschichte.
Fernweh ist eine Sehnsucht, die kein eindeutiges Gegenstück hat. Zufriedenheit, vielleicht.
Die Odyssee ist keine Geschichte des Fernwehs, sondern im Gegenteil, die Herstellung einer göttlichen Ordnung, einer Pflicht und Prüfung, einer Heimkehr. Keine persönliche Entwicklung im Sinne eines freien Werdens, sondern ein individuelles Abenteuer, bei dem die persönliche Ehre im Mittelpunkt steht. Eine Person, die die Reise unternimmt, um ihren bestimmten Platz einzunehmen.
Aussteiger reisen, um ihren Platz gerade nicht einzunehmen.
Menschen, die viel Reisen, laufen vor etwas weg, sagt man. Sie wirken ziellos und unstet. Sie suchen die Zufriedenheit und Erfüllung, Heimat in der Ferne.
Wer sich naiv einem Fernweh hingibt, setzt sein Leben auf‘s Spiel, wenn er sich ohne Kenntnis und Vorbereitung auf den Weg macht.
Über Fernweh könnte man ein ganzes Buch schreiben.
Was die Fernweh ausmacht, ist ihre Sehnsucht, eine innere Unruhe und das Gefühl eines Mangels, eine Sehnsucht nach etwas, was man hier nicht findet.
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