Das Staatsballett Berlin protestiert gegen die Ernennung von Sasha Waltz zur Intendantin.
Ich kann dazu folgendes sagen: In dem Moment als ich erkannte, dass ich Tanzen lernen will (und zwar auch mit der Möglichkeit als künstlerische Ausdrucksform), war mir klar, dass ich dafür Klassisches Ballett lernen muss. Erst wenn ich das einigermaßen beherrsche (und sei es nur theoretisch), dann kann ich mich davon weg bewegen. Und dann merkte ich, dass Ballett unersetzliche Ausdrucksformen hat, die man auch nicht einfach modernisieren kann, und auch, dass man aus diesen Formen heraus arbeiten muss, wenn man zu neuen Formen finden will.
Tanztheater kennt diese Möglichkeiten tänzerischer, musikalischer Ausdrucksformen nicht, es arbeitet mit anderen Formen und Emotionen. Das kann die Ausdruckformen natürlich erweitern, vor allem für das Publikum zu nachvollziehbaren Formen führen, aber erst in der gelungenen Verbindung wäre es modernes Ballett. Ich denke aber, das ist rein theoretisch gedacht, am Ende kommt nichts Halbes und nichts Ganzes raus. Neither flesh nor fish.
Selbstverständlich ist es wichtig, andere Tanzstile zu können, aber wer keine klassische Ballettausbildung hat und beim Nußknacker keine Gänsehaut mehr bekommt und Vaganova oder Balanchine nicht für Genies hält, sollte keine Ballettgruppe leiten und führen. Ich kann verstehen, dass die Tänzerinnen und Tänzer das als Beleidigung empfinden, weil sie eine vollkommen andere Leidenschaft führt. Bewegungs-Theater ist kein Ballett.
Ballett ist so schwierig zu ergründen wie eine Symphonie. Und man würde ja auch keine noch so gute Pop- oder Jazz-Musikerin zur Intendantin von Symphonikern machen.
Nachtrag 1: Konkret zu Sasha Waltz muss gesagt sein, dass sie weit mehr als nur Tanztheater macht und auch gute und erfolgreiche Ballettchoreografien kreieren kann. Trotzdem bleibe ich bei dem Glauben (mehr als den kann ich nicht bieten, da ich keinerlei Erfahrungen habe), dass man aus dem Ballett heraus anders modernisiert als vom Modernen Tanz zum Ballett kommend. Es würde auf einer Metaebene gearbeitet. Wenn man über die Abkehr vom Narrativen erzählt, ist das ein nichtaufzulösender Widerspruch. So als würde man darüber reden, weshalb es wichtig ist zu schweigen. Als Betrachter möchte ich reine Umsetzungen von Visionen und Ideen sehen und keine Auseinandersetzungen mit der Sache (dem Tanz) selbst. Für Sasha Waltz muss sich dieser Widerstand ja merkwürdig anfühlen, aber er zeigt ja auch, womit man sich auseinandersetzen muss, was man wann und wo ansprechen muss und womit man es zu tun hat. Alternativ zum Widerstand könnte man auch den Mut haben, ihr zu vertrauen, als Tänzer/in ist man ja irgendwas zwischen Dienstleister und Künstler.
Nachtrag 2: Nur aufgrund des Trailers geurteilt will ich hier nur kurz anmerken, dass für mich so eine moderne Version von Romeo und Julia als Ballett aussieht. Ich denke, wenn man das mit diesem Ausschnitt vergleicht, erkennt man den Unterschied zwischen Ballett und Tanz. Nicht dass der Unterschied eine unüberwindbare Kluft wäre, aber doch ein bedeutender Unterschied.