Sich in Ordnung bringen

Ich habe ja mal in einem Kommentar behauptet, dass ich vom Stoizismus beeinflusst bin, weil ich in meiner Jugend Marc Aurel gelesen habe. Ich habe mir auch das Handbüchlein der Moral besorgt, weil ich es genauer wissen wollte. Es ist theoretisch interessant, aber als Anleitung überholt. Es ist historisch interessant, das auf jeden Fall. So wie ich auch 4000 Jahre alte ägyptische Texte interessant finde. Deren Art zu schreiben nehme ich mir als Vorbild. Es sind Beschreibungen dessen, was die Menschen damals so getan haben — Abläufe, Umgang miteinander.

Machen” und Tun” sind zwei schöne Begriffe. Zwei schöne, menschliche Begriffe, die viel zu selten verwendet werden.

Was machst Du?” Kochen.” Nein, ich meine, was machst du zu Essen?” Kartoffelauflauf.”

Alte ägyptische Texte sind voller solcher Beschreibungen. Regeln für die Gesellschaft kann man beschreiben, aber so wie wir heute Regeln und Strukturen ausschließlich im Kopf verarbeiten, waren weder den Griechen noch den Römern in dieser Form möglich, weil Sprache noch gar nicht in der Menge als Text möglich war. Das Problem ist nur: Wie kommt man aus dem Text wieder ins Leben?

Wenn wir nichts mehr machen können oder tun, weil uns das zu banal vorkommt, weil wir doch vollbringen” und erschaffen” wollen, dann führt das zu dieser Vorstellung, dass man sein Leben verwirkt hat, und dann gar nichts mehr machen will. Wenn wir nichts mehr machen oder tun können, weil uns Menschen davon abhalten, dann wollen wir etwas machen, aber können nichts mehr machen. Such’ Dir ein Hobby. Geh ins Gym. Triff dich mit Menschen. Geh spazieren. Kauf dir ein Hund. Oder bring einfach bloß mal den Müll raus. Wenn das alles nichts mehr hilft, hat man ein Problem.

Die wenigsten Menschen brauchen Stoizismus im Alltag, wie überhaupt die meisten Menschen nur ganz wenig im Leben brauchen. Wenn man wenig macht hat oder sogar machtlos ist, hilft einem Moral gar nichts, die hat dort gar nichts zu suchen. Mir helfen Minimalismus oder Zen oder andere Formen der Reduzierung wenig. Ich muss Ordnung schaffen, aber nicht indem ich mich beschränke, sondern ein gutes Timing finde. Alles zu seiner Zeit” wäre einer meiner Leitsprüche. Das ist keine Moral, das ist Handwerk.

Ich denke, je mehr Macht wir haben, desto mehr Moral brauchen wir. Sind wir Feldherren oder müssen wir nur einfach mal wieder den Müll rausbringen?

Ich möchte hiermit verlautbaren, dass ich den Müll in ordnungsgerechter Trennung in die dafür vorgesehenen Tonnen geworfen habe.

Ich kenne einige Menschen, die etwas machen oder tun, einfach, um etwas zu machen oder zu tun und sich damit selbst wieder in Ordnung bringen: Essen kochen, Wäsche waschen, Waldspaziergang.

Denn dafür machen wir das alles, um uns selbst in Ordnung zu bringen.

GesellschaftGesundheit22. 6. 2025