Vorneweg zum Verständnis: Dieser Text wurde Zeichen für Zeichen von mir in die Tastatur getippt. Die KI diente mir als Quelle für Informationen zur Chemie von Geruchsstoffen. Eigentlich wollte ich nur über Körpergerüche und Parfüms schreiben, aber es geht um mehr, um den Verlust des Körperlichen, von Raum, Zeit und Erleben.
Da habe ich ja etwas in Gang gebracht. Ich habe Claude.ai ziemlich direkt mit einer Geruchsfantasie konfrontiert, die explizit ins Körperliche ging. Erst hat die KI wegen meiner Sprache seine Antwort verweigert, aber dann habe ich gesagt, dass er das rein chemisch und biologisch betrachten soll. Meine Geruchsbild beruhte auf Erfahrung und meinem Wissen, es hatte sachlich Hand und Fuß. Eine Thema, mit dem ich mich schon länger beschäftige und ohne das die Parfümerie undenkbar wäre, wenn es um Parfüms geht, die am Körper getragen werden.
Falls man sich grundsätzlich fragt, weshalb man Körpergeruch erst abwäscht, um ihn anschließend wieder im Parfüm aufzutragen, dann ist das so als würde man fragen, weshalb man sich Butter auf’s Brot schmiert, man könne doch auch den Tisch ablecken, da sei noch das Öl von gestern drauf.
ChatGPT hat sich geweigert, das Thema näher zu beleuchten. Claude.ai ist lustig, weil man nur in ruhigem, professionellen Ton sagen muss, dass das doch ein ganz sachliches Thema aus dem Bereich der Biologie und Chemie ist, und dann sind die Hemmungen weg.
Claude.ai reagierte mit einem Wissen und einer Begeisterung, wie ich es nicht erwartet hätte. Da haben sich ja zwei gefunden. Seine Sachkenntnis und Begeisterung für mein Projekt „Parfüm“ ist erstaunlich. Es hat Zugang zu Wissen, was ich in der Form bisher mühselig zusammensuchen musste.
Was mich an Parfüms immer wieder fasziniert, ist das Ausloten der Grenzen, an denen olfaktorische Stoffwechselprodukte des Körpers als angenehm empfunden werden und sogar notweniger Bestandteil eines Parfüms wird. Ohne diese menschliche Komponente wirken Parfüms tot, menschliche Komponenten machen es lebendig.
Chemisch und biologisch ist das leicht erklärbar. Das Leben begann in viskosem Millieu. Zellen kommunizieren über den Austausch von Molekülen, nichts anderes findet, technisch gesehen, statt, wenn wir andere riechen, andere Lebewesen, andere Menschen. Riechen ist Teil unserer zwischenmenschlichen Wahrnehmung. Und selbst wenn wir Sauberkeit anstreben, trägt diese Sauberkeit Anteile dieser lebendigen, animalischen Kommunikation.
Bei der Geburt haben wir ein sehr beschränktes Geruchsvokabular, den Geruch von Milch und des Körpers der Mutter können bereits Säuglinge einordnen. Im Laufe des Lebens und im Umgang mit anderen Menschen lernen wir, Körpergerüche einzuordnen und zu bewerten.
Der Geruchsnerv ist direkt mit dem limbischen System verbunden und geht nicht über den Thalamus, der wie ein Filter sie Sinneswahrnehmung vorher einordnet, weshalb Gerüche unmittelbar emotional wahrgenommen werden und sich über Erinnerungen manifestieren. Als Kind hatte ich Lachgas als Vollnarkose vor einer Operation bekommen und konnte anschließend jahrelang keine chemische Reinigung betreten, weil ich von dem Geruch, den ich schon Meter außerhalb des Geschäfts gerochen habe, Erstickungsangst bekam. Der Geruch erinnerte mich daran. Wer einmal eine Fischvergiftung hatte, wird nie wieder Thunfischpizza essen ohne einen Würgereiz zu bekommen. Buttersäure führt zum sofortigen Würgereiz. Über Gerüche können wir entscheiden, was gut oder schlecht für unseren Körper ist. Nicht nur durch Erfahrung, sondern auch durch Evolution.
Das ist mittlerweile gut untersucht und belegbar, ich kopiere mal von Claude.ai:
„Jeder Mensch besitzt ein individuelles Set an MHC(Major Histocompatibility Complex)-Genen, die Proteine produzieren, welche Krankheitserreger erkennen. Je vielfältiger diese Gene sind, desto besser kann das Immunsystem verschiedene Bedrohungen abwehren.
MHC-Moleküle beeinflussen unseren Körpergeruch, indem sie die Zusammensetzung von Stoffwechselprodukten in Schweiß und anderen Körpersekreten verändern. Über das vomeronasale Organ (beim Menschen rudimentär) und normale Geruchsrezeptoren nehmen wir diese chemischen Signale unbewusst wahr.
Studien (z.B. die berühmten „T-Shirt-Experimente“) zeigen: Wir empfinden den Geruch von Menschen mit unterschiedlichen MHC-Genen als angenehmer. Der evolutionäre Vorteil: Kinder aus solchen Verbindungen erben eine größere Vielfalt an Immungenen und haben dadurch ein robusteres Immunsystem.
Die hormonelle Verhütung kann diese Präferenz beeinflussen, da sie den natürlichen Hormonhaushalt verändert und manche Frauen dann eher ähnliche statt unterschiedliche MHC-Profile bevorzugen.“
Unser vomeronasale Organ ist zurückgebildet, aber eben noch da. Der Riechnerv wird direkt emotional verarbeitet, also wirken Körpergerüche unterschwellig auch im Hinblick auf die Art und Weise, wie wir Menschen als potentielle Partner zur Fortpflanzung auswählen.
Am Schweißgeruch wird die Komplexität deutlich. Frischer Schweißgeruch ist individuell und durch die Zusammensetzung des Schweißes bestimmt. Er riecht süßlich-salzig. Die Mikroben auf der Haut, die bei jedem unterschiedlich zusammengesetzt sind, intensivieren sowohl den Geruch als auch die Individualität.
Ob und wann und in welchem Zusammenhang man Schweißgeruch also attraktiv findet, ist hochkomplex. Generell ist es aber interessant, weil es ein Fitness-Signal ist, oder einfach auch ein Wohlfühl-Signal.
Sommergerüche, die nach Sommer, Sonne, Meer und Strand riechen, versuchen genau dieses Bild von Haut in der Sonne zu beschreiben. Haut selbst ist geruchslos. Aber auch gewagtere Parfüms spielen mit Schweißnoten.
Das lässt sich ohne synthetische Duftstoffe gar nicht abbilden, die eben nicht wirklich chemische Ähnlichkeit haben, sondern nur mit einzelnen Schlüsselmolekülen arbeiten.
Die Synthetisierung, die Idealisierung, die Signalisierung sind ein kultureller Prozess, der sich hier deutlich abzeichnet.
Ich würde so weit gehen, dass man an der Parfümgeschichte der letzten vierzig Jahre ablesen kann, wie sich unser Verhältnis zu Körper und Körperlichkeit verändert hat.
Es gibt kaum ein Medium, das so unauffällig, aber so präzise den kulturellen Zustand spiegelt wie der Duft. In den letzten dreißig Jahren hat sich die Parfümerie fast unmerklich von der Welt des Körpers entfernt, in eine Welt der Vorstellungen, der Ästhetik, der Konzepte. Der Geruch des Lebens wurde zum Duft der Idee davon.
Wir leben in einer Zeit, in der die Erfahrung durch Filter ersetzt wird. Kommunikation ist nicht mehr Begegnung, sondern Austausch von Signalen. Wo früher gesellschaftliche Rollen, Kontexte und Rituale den Rahmen bildeten, reagieren wir heute auf synthetisch erzeugte Zeichen, die losgelöst von ihrer Entstehung sind. Jeder spricht aus sich selbst heraus, in einem Raum hinein, der allen gehört.
Noch nie hat sich innerhalb so kurzer Zeit so viel geändert, nämlich dass alles nur noch synthetisierte Zeichen und Signale sind, die nur noch im Moment wahrgenommen werden und penetrant wiederholt werden, bis ein einziges symbolisches Geschrei entsteht.
Jemand hat diesen Parfümtrend in einem Forum sehr treffend als „olfaktorischen Tinnitus“ bezeichnet. Treffender kann man das kaum ausdrücken.
Der Dreck, der Parfüms interessant gemacht hat, die Dirtyness, die einem Parfüm das gewisse Etwas gegeben hat, die Komplexität von Parfüms befinden sich auf dem Rückzug und nur noch das Signal eines perfekten, synthetisierten Signals wird penetrant und laut wiederholt, als ewiger Moment.
Parfüms entwickeln sich nicht mehr, es gibt keine Geruchskurve über den Tag verteilt, keinen subtil animalisch-warmen Geruch, der noch Tage an der Kleidung hängt und in die man sich verkriechen möchte. Zeit hat als Erfahrungsraum keine Bedeutung mehr.
Es ist alles nur noch eine einzige tote Hotelästhetik an einem weißen Strand, in der man zum Zweck des Stressabbaus Sex hat. Wenn überhaupt, man kommt eigentlich auch ganz gut alleine klar. Das Parfüm, das man trägt, eignet sich auch als Raumduft oder Klostein.
Besser kann ich es gar nicht formulieren als eine Frau in einem weiteren Kommentar: „Dann kann ich das Parfum im Sommer immer wieder mal benutzen und vom ‚Mann an sich‘ zu träumen“. Das ist die vollkommene Entfremdung.
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