Wie man seinem Kind das Ende der Welt erklärt

Eines Abends stand meine Tochter etwas verstört neben mir und fragte mich: „Papa, stimmt es, dass die Sonne explodiert?“

Ich musste spontan an die Verfilmung von Wo die wilden Kerle wohnen denken. Dort ist der Junge ähnlich verstört, weil sein Physiklehrer das Ende der Sonne beschreibt und fragt später die wilden Kerle, ob das stimme. Nee, sagen die und lachen drüber.

Ich bin kein wilder Kerl und lügen kann ich auch nicht, also versuche ich zu erklären, beschreiben, relativieren, winde mich, tröste und bin am Ende nicht zufrieden. Ich habe nicht einmal Halbwissen darüber.

Am nächsten Tag suche ich Zahlen raus: Urknall, Entstehung der Erde und Sonne, erstes Leben, erster moderner Mensch, voraussichtliches Ende der Sonne.

Hier die Zahlen, die ich aus Wikipedia und anderen Quellen (habe ich nicht dokumentiert) habe:

Urknall: 13,7 Milliarden Jahre

Enstehung der Sonne und Erde: 4,6 Milliarden Jahre

Entstehung des Lebens: 4,2 bis 3,8 Milliarden Jahren

Erste Säugetiere: 90 Millionen Jahre

Erster Mensch: 7 Millionen Jahre 7.000.000

Erster Moderner Mensch: 160.000 Jahre

Kalender Beginn (Römer): 0

2002 Geburt Paula (meiner Tochter)

In 900 Millionen Jahren übersteigt mittlere Temperatur auf der Erdoberfläche den für höhere Lebewesen kritischen Wert von 30° C (Quelle, Wikipedia > Bounama 2004)

Sonnenende voraussichtlich in 1.7 Trillionen Jahren

(Ich habe gerade gelesen, dass die Sonne noch mindestens 1.7 Trillionen Jahre zu leben hat (Earth’s Deadline). Wo jetzt genau die Deadline für die Erde liegt, weiß ich nicht, laut diesem Wikipedia-Eintrag sind es 600 Millionen Jahre.)

Meine Vorstellungskraft ist bereits ab einer Million erschöpft und kann sie mir auch nur als Geldwert vorstellen oder als Menge von Menschen, die in einer Stadt leben. Ich muss mir die Zahlen mit Nullen aufschreiben, Schulwissen Klasse 7.

Milliarde

1 000 000 000 Tausend Millionen

Million

1.000.000

Die größte Zahl (13,7 Milliarden) versuchte ich in Pixeln darzustellen … vergeblich, meine Bildbearbeitungsprogramme haben vorher ihre Grenze und auch mit HTML und CSS ist eine Darstellung im Browser unmöglich, zwar lässt sich das theoretisch eingeben, aber bei der Darstellung merkt man, dass es nicht angezeigt wird.

Gestern habe ich dann folgendes gemacht:

Auf ein DIN A4 Papier druckte ich drei Balken. Einen für meine Großmutter, die 94 ist, einen für mich (44) und einen für meine Tochter (8) – jedes Jahr ein Millimeter.

Dann ging ich mit meiner Tochter nach draußen und legte das Blatt auf den Boden.

Ich wollte zumindest den Anfang und das mögliche Ende der Menschen vorstellbar machen. Ich sagte:

„Das sind die Jahre, die wir bisher gelebt haben: Uroma, Du und ich. Der erste moderne Mensch entwicklete sich vor 160 Tausend Jahren, das sind hier 160 Meter, das ist da hinten, wo das Auto steht, da ist der erste Mensch, davor hatte er überall Haare und ist grunzend durch die Gegend gehopst. Die Sonne wird irgendwann so heiß, dass wir nicht mehr auf der Erde leben können, das ist von hier bis Frankfurt (90 Kilometer). So viel Zeit haben wir noch. Bis zum Auto liegt die ganze Menschheit und ganz bis nach Frankfurt hat sie noch vor sich.“

Meine Tochter guckt in die Richtung, in die ich mit ausladender Geste die unfassbare Größe beschreibe und sagt: „Aber Frankfurt liegt doch in der anderen Richtung.“

Ich weiß nicht, ob es etwas gebracht hat und Wissen hat nicht gerade „Aaaah“ gemacht, aber das macht es sowieso selten, Wissen macht oft: „Hä?!“ oder bestenfalls: „Mhm …“.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert