In dem Ballett-Lehrbuch, das ich mir besorgt habe, gibt es Fotos, auf denen man sehen kann, wie die Körperhaltung aussehen soll und wie sie nicht aussehen soll. Auch für den Gesichtausdruck. Ideal ist ein freundlich-entspannter Ausdruck.

Nicht ganz einfach.

Wenn ich in den Spiegel gucke, sehe ich alt und erschöpft aus, obwohl ich mich überhaupt nicht alt und erschöpft fühle, sondern jung und knackig wie Dorian Gray.

Wenn ich etwas mit Leidenschaft mache (wie zum Beispiel Ballett) bin ich konzentriert und mache ein Gesicht wie Wolverine. Sodass ich auf ein Spektrum komme von alt-erschöpft bis konzentriert-verkrampft.

Ich habe mir seit etwa einem halben Jahr abgewöhnt, nicht mehr die Augenbrauen zusammenzuziehen. Dieses kritische Augenbrauen-Zusammenziehen war zur schlechten Angewohnheit geworden.

Einen Tag lang nahm ich mir vor zu lächeln, und zwar so richtig, als wäre ich ein Honigkuchenpferd, das gerade im Lotto gewonnen hat. Das fühlte sich erst ziemlich albern an, aber am Ende des Tages sehr angenehm. Ich musste das Lächeln tatsächlich wieder lernen. Lächeln kann ja leider den unangenehmen Nebeneffekt haben, nicht für voll genommen zu werden, was ich auf den Zusammenhang von Gesamterscheinung und Lächeln zurückführe. Ein interessantes Thema.

Ich habe kein natürliches Lächeln. Was ich aber habe, ist Humor, der lässt meine Gesichtszüge freundlicher aussehen. Früher hatte ich viel Humor, der ist mir im Laufe der Zeit aber zum Teil vergangen. Das Dumme an der Fähigkeit über sich selbst lachen zu können, ist ja das Phänomen, dass andere gerne mitlachen. Punkt. Keine Pointe. Als Standup-Comedian ist das gut, im Alltag steht man doof da. Jetzt hole ich mir den Humor wieder, nicht hintenrum als Zynismus verpackt, sondern möglichst offen, wenn ich auf Gleichgesinnte treffe. Wenn ich jetzt lächel, dann mit etwas mehr Menschenkenntnis.

Wenn ich beim Ballet ankomme, blickt mich im Spiegel oft ein müdes Gesicht an, und indem ich meinen Zustand mit Humor nehme, gelingt es mir, darüber immerhin zu lächeln. Dadurch wirke ich ein bisschen wie ein Klassenkasper, aber es gibt mir die Möglichkeit, in die Verfassung zu kommen, die ich brauche. Bei den Übungen bin ich dann entsprechend angestrengt und konzentriert und eigentlich braucht man für das Ballett einen entspannten Gesichtsausdruck, offene Augen, freundliche Mundzüge. In der Summe funktioniert es dann einigermaßen, und für einige Momente blicke ich in den Spiegel mit einem recht annehmbaren Gesichtsausdruck, den ich so in Ordnung finde. Das ergibt dann auch einen schlüssigen Gesamteindruck von Köper, Bewegung, Kopf und Gesicht.

Ballett ist eben auch die Kunst der unverkrampften Anstrengung. Leicht und luftig wie eine Feder soll es aussehen, die Sprünge wie die einer Katze. (Nur liegt die den halben Tag in der Sonne.)

Olivia Grace Cowley ist Solotänzerin beim Royal Opera Ballet in London, und sie twitterte letzte Woche dieses: