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Zwischen den Jahren

Zwischen den Jahren lasse ich das alte Jahr revuepassieren und mache mir Gedanken über das neue.

Mich hat im letzten Jahr wieder vieles beschäftigt und manches unliebsam zu sehr. Dem bin ich auf die Spur gegangen. Dazu muss ich ausholen, denn es beantwortet so viele meiner Fragen und klärt Unklarheiten. Ich habe eine stark ausgeprägte affektive Empathie. Ich fühle Bewegung, ich fühle Musik, ich fühle menschliche, emotionale Zwischentöne. Das ist supernervig. Wenn ich an einer Bar stehe und neben mir steht jemand und man fragt: „Was machst du so?“, dann will ich wissen, wofür er brennt oder sich leidenschaftlich interessiert, oder was ihn bewegt.

Ich gehe die Liste des letzten Jahres nicht durch. Es ist sehr viel schlauer für mich, mich um meine Membran zu kümmern. Membran nenne ich das.

Ich habe drei Bücher gelesen, die mir sehr viel Klarheit und Erkenntnis gebraucht haben:

  1. Barrett, L. F. (2020). Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn
  2. Barrett, L. F. (2017). Wie Gefühle entstehen
  3. Williams, C. (2023). Sich fühlen – Die neue Wissenschaft der Interozeption

So kam ich zu dem Forschungsthema Interozeption. Ich habe das Ganze für mich übersetzt und nenne das, was ich tue, Resonanzfähigkeit und das, was zwischen mir und anderen filtert, was gut oder schlecht für mich ist, Membran.

Es gibt Menschen, die fühlen sehr genau, was in ihrem Körper vor sich geht, und es gibt Menschen, die das nicht so gut können. Über Gefühle versteht man, was in einem vor sich geht, man versteht, was einem gut tut und was nicht und richtet sich danach aus.

Wer sich selbst fühlen kann, kann auch verstehen, was in anderen vor sich geht. Wer das nicht kann, wird keine emotional tiefe Beziehung eingehen können. Man kann dann vielleicht Zeichen und Anzeichen analysieren und erkennen, aber für die feineren Empfindungen und Zwischentöne bleibt man blind.

Die Fähigkeit, sich zu fühlen und Empfindungen anderer zu erkennen, nenne ich Resonanzfähigkeit.

Resonanzfähigkeit als hilfreiche Fähigkeit anzunehmen, ist nicht leicht. Man muss diese Offenheit und die Kontaktflächen sehr genau und bewusst steuern, sonst lässt man Verhalten zu, das einem nicht gut tut. Man muss eine Art Membran entwickeln, durch die Dinge abgehalten und zugelassen werden. Ein Immunsystem. Das Immunsystem sind nicht nur Proteine, sondern ein hochkomplexes Regelsystem, das sich im Gleichgewicht halten muss. Und so, wie man heiß und kalt regulieren muss, muss man auch sein Verhalten und das der anderen in einem angenehmen und angemessenen Klima halten.

Das nächste Jahr werde ich darauf achten. Ich werde auf mich hören und mich um das Klima kümmern. Ich werde mich mehr und bewusst mit Menschen treffen, die diese Reflektionsfähigkeit haben und weniger Zeit mit Menschen verbringen, die das nicht können. Und denjenigen, die das nicht können, ist man nichts schuldig, zu denen muss man eine gesunde Distanz wahren.

Die Begriffe „Resonanzfähigkeit“ und „Membran“ benutze ich, weil ich mir etwas darunter vorstellen kann und sie besser in einen Alltag integrieren. Die Wissenschaft arbeitet mit anderen Begriffen.

Man unterscheidet zwischen Affektiver Empathie und Kognitiver Empathie. Das eine braucht die Wahrnehmung des Körpers, das andere nur Sprache und Zeichen.

Man kann mit diesem Wissen sein Leben verbessern. Der größte Feind dieses Prozesses ist ein Kampf und Wettbewerb und sozialen Status, weil er ein falsches Motiv ist. Das Motiv sollte selbstständige Zufriedenheit sein. Wenn es jemandem darum geht, seinen sozialen Status zu erhöhen, werde ich den Kontakt sofort unterbrechen, erst nur für den Moment, dann für immer. Wer meiner Membran nicht einvernehmlich und ohne Gespür begegnet, den halte ich körperlich auf Distanz.

Ich habe sehr viele tolle Begegnungen, aber auch extrem unangenehme und diese beschäftigen mich sehr. Sie saugen Zeit und Kraft und nagen an meiner Gesundheit.

Ich werde das nicht zum Dauerthema machen, sondern zur Dauerpraxis.

Comments (2)

  • Andrésays:

    30. Dezember 2025 at 8:03

    Ich habe den Text gestern schon gelesen und heute nochmal und er kommt mir in gewissen Teile. unstimmig vor.
    Ich kann es noch nicht 100 Prozent genau sagen was es ist aber ich versuche es Mal.

    „Wer sich selbst fühlen kann, kann auch verstehen, was in anderen vor sich geht. Wer das nicht kann, wird keine emotional tiefe Beziehung eingehen können.“
    Dieses Überkonfidente bei einem Thema das neu für dich ist, führt zu Fehleinschätzungen.

    Sich von Situationen/Menschen zurückzuziehen die für einen nicht gut sind, ist eine effiziente manchmal aber auch zu brachiale Methode. Hier sollte man genau schauen bei wem das für dich welche langfristige Folgen hat.

    Die echte Meisterung von Fähigkeiten ist das bewusste nutzen und regeln. Dann muss man nicht mehr aus Situationen fliehen sondern kann sich selbst regulieren.

    Was mir auch ein bisschen fehlt ist das Wohlwollen anderen gegenüber. Wir sind soziale Wesen und unser Wohlbefinden hängt stark von anderen Menschen ab. Nur weil jemand heute vielleicht noch Verhaltensweise und Ansichten hat, die wir aktuell nicht gut finden, heißt das nicht das wir besser sind oder die Person zu einem schlechten Leben bestimmt ist. Wir haben in unserem Leben auch viele Fehler gemacht und Verhalten gehabt welches für andere nicht gut war.

    Gedanken in Worte zu fassen ist immer ein bisschen schwierig. Es drückt nie genau das aus was man eigentlich denkt. Ich hoffe die Anmerkungen helfen dir bei deinem Vorhaben.

  • Martinsays:

    30. Dezember 2025 at 11:09

    Du hast recht, dass ich das sehr absolut formuliere. Mir geht es vor allem darum, dass ich in der Vergangenheit zu wenig auf meine Grenzen geachtet habe. Vielleicht klang das zu hart. Ich will nicht Menschen abwerten, die anders funktionieren, sondern lernen, besser für mich zu sorgen.

    Ich werde deinen Kommentar ergänzend mitnehmen, weil du völlig richtig erkennst, dass da zu wenig Wohlwollen und Milde bei mir ist.

    Wie du richtig sagst, muss ich es meistern, anderen wohlwollend begegnen und trotzdem konsequent Distanz halten, wo es mir nicht gut tut.

    Vielen Dank für deinen Kommentar, deine Anmerkungen helfen mir sehr. Ich will ja nicht verbohrt werden und umsichtig bleiben.

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