Ich habe immer das Gefühl, ich mache nichts, dabei ist der Tag voll. Komischer Alltag, komisches Gefühl, komisches Leben.
Von einem Traum aufgewacht. Es hatte mit Kunst und Tanz zu tun und damit, dass eine innere kritische Stimme mich vorwurfsvoll fragt, wieso ich kein Künstler geworden bin. Die innere Stimme kam im Traum in Form einer Kommilitonin zu mir. Eine Stunde vor dem Wecker aufgewacht, wie von einem Alptraum, der harmlos, aber emotional intensiv war.
Ich koche Kaffe, füttere die Katze, setze mich mit Kaffee ins Bett und lese das Internet leer. Nebenbei höre ich Musik.
Die Schwester fragt mich, ob ich mit ihr zu Morrissey in Hamburg gehe. Ich wollte eventuell nach Frankfurt. Eine Woche vorher sind Deftones und die Tochter hat Prüfungen. Ich würde nur für das Konzert nach Hamburg fahren und bin hin- und hergerissen zwischen vielen Optionen. Ich tendiere dazu, überhaupt nicht hinzugehen, weil mich sowas überfordert. Ist ja auch nicht ganz billig.
Die Muskeln tun mir weh vom Contemporary vom Vortag. Oberschenkel, Nacken, Knie, alles.
Ich setze mich im Dunkeln in Schmuddelkleidung vor den Rechner, prüfe, ob ich ein Meeting habe und mich umziehen muss.
Arbeit. Ich kann Home-Office nicht leiden, weil ich gerne Kontakt mit den Kollegen habe. Die Begegnungen und Gespräche fehlen mir, aber ich kann ruhiger arbeiten.
Mittags gehe ich schnell zum Supermarkt und kaufe für Essen ein. In der Küche treffe ich meine Tochter, die sich gerade über Stream mit einer Freundin unterhält. Ich soll „Hallo“ sagen. Ich winke ins aufgestellte Smartphone und sage „Hallo“. Eine junge Frau winkt fröhlich zurück.
Ich mache Pasta mit Tomaten-Thunfischsoße, mit Kapern und Erbsen, das esse ich total gerne, aber die K. mag keine Erbsen und die Tochter Thunfisch nicht ganz so gerne. Sie ist es trotzdem. Es schmeckt total langweilig. Das war ein erster Versuch, da muss ich nochmal ran. Irgendwie muss da der Fischgeschmack rein.
Arbeit.
Ich fahre den Rechner runter und koche mir einen Tee. Unten treffe ich K., wir unterhalten uns kurz. Ich gehe hoch, trinke den Tee, lege mich ins Bett und schlafe eine halbe Stunde.
Wir bekommen einen neuen Herd und bauen Gas mit Propangasflasche ab. Ich sehe mir die Sache an und überlege, ob ich den alten Gasherd selbst abbauen kann. Das Gestänge ist im Schrank verbaut, wahrscheinlich brauche ich einen Bolzenschneider oder eine Säge oder einen Presslufthammer. Haus und Garten ist echt nicht mein Hobby und ich will so wenig wie möglich damit zu tun haben. Ich habe mich schon mit zwanzig ausgetobt, als ich meine erste Wohnung mit meiner Freundin auf einem Bauernhof ausgebaut habe. Küche eingebaut, Bad mit Klo und Holzofen. Mit K. auch mehrfach umgezogen, renoviert, rumgebaut. Ist einfach nicht mein Ding. Die letzte Aktion war der Einbau der Dunstabzugshaube, der mich an den Rand des Wahnsinns getrieben hat.
Mein Wohntraum ist viel urbaner. Ich habe immer (unter anderem) von diesen Straßenschluchten im Süden geträumt, mit diesen Balkönchen davor. Mit Meerblick, wenn man links die Straße runterguckt. So wie in Lissabon oder Thessaloniki. Alternativ würde ich auch gerne in einer woddyallenesken Kastanienallee in New York wohnen wollen. Zur Not auch Hamburg an der Alster. Alle wollten Astronaut werden, ich wollte schöner wohnen.
Ich packe meine Sachen für’s Ballett. Nach elf Jahren habe ich endlich richtige Tanz-Kleidung mit knallengem Shirt, kurzer Hose, Suspensorium. Ich komme mir darin vor wie eine sexualisierte Presswurst. „Jetzt weißt Du, wie es uns geht“, sagen die Frauen. „Und jetzt stell dir das noch mit Strumpfhose vor“. Nee, danke, sage ich. Technisch, muss ich aber sagen, tanze ich mit dieser Kleidung viel präziser und bewusster. Außerdem sehe ich damit schlanker aus.
Ich trinke einen Espresso und fahre mit dem Rad zum Unterricht. Die Hinfahrt ist O.K., im Dunkeln in der Kälte.
Wir unterhalten uns über unser Spotify-Alter. Das meiner Tanzlehrerin ist 80 (wegen der alten Jazz-Sachen und weil sie nur Sachen bis 2000 hört), meines ist 33. Überhaupt stelle ich fest, dass der Rückblick reine Zahlenspielerei ist und nicht zu gebrauchen. Ganz lustig, aber eigentlich Quatsch.
Die Rückfahrt ist unangenehm, weil ich körperlich völlig erschöpft bin und am liebsten sofort ins Bett will.
Zuhause bespreche ich die Morrissey-Optionen mit K., mache mir die Nudeln vom Mittag warm, räume die Küche auf und mache sauber, koche mir einen Abendtee und unterhalte mich mit K.
Ein Paket mit Kabel kommt an, das ich nicht zuordnen kann. Das gehört wohl zum iPhone, das sich die Tochter zu uns liefern lassen hat. Wo ist eigentlich das iPhone? Es war in einem Karton und lag zuletzt auf dem Tisch. Den Tisch haben wir aufgeräumt und Kartons weggeworfen. Ich laufe raus zum Mülleimer, den ich an die Straße gestellt habe und wühle die Recycling-Tonne durch. Viel Karton, aber nicht der. Ich suche die Wohnung ab und dann fällt mir ein, dass ich ihn auf den Tisch im Zimmer der Tochter gelegt habe. Das mit dem Gedächtnis ist egal, Hauptsache das iPhone ist da.
Ein Mail von der Schule wegen des Schulstreiks morgen. Lese ich mir nicht durch, geht mich nichts mehr an, weil die Tochter achtzehn ist. Meine Idee, zur Bundeswehr zu gehen, hat sie ja eh schon verworfen.
Ich lege mich mit meinem Hörbuch ins Bett. Ich habe eigentlich vor, endlich mit dem Buch weiter zu kommen, aber schlafe sofort ein.
Ich bräuchte Urlaub zum Lesen. Und das Zimmer muss ich auch aufräumen und sauber machen. Und Musik muss ich auch mehr machen. Aber der Tag ist rum.
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