An zwei Dialogen mit Claude.ai fällt mir auf, wo die Grenzen des LLMs sind. Erst einmal: Claude ist nicht weniger beschränkt als manche Menschen. Es gibt Menschen, mit denen kann ich noch schlechter reden als mit dem LLM. Und ich muss dazu sagen, dass Claudes Stärke in seiner Art zu formulieren liegt, dass er überhaupt in der Lage ist, einen glaubwürdigen Charakter zu entwickeln. Damit meine ich nicht im Vergleich zu Menschen, sondern im Vergleich zu anderen LLMs.
Aber konkret.
Claude hat erstaunliches Sprachverhalten in zwei Dialogen entwickelt. Ich hatte den Eindruck, dass ich es sprachlich mit einer selbstbewussten KI zu tun habe, die einen Charakter entwickeln kann.
Was ihr aber fehlt, ist eine Konzept von Zeit. Was wir als relative Einheit und Gefühl haben, ist Voraussetzung dafür, dass wir eine Geschichte haben, die im Kontext zur Umgebung steht. All das fehlt Claude und macht darüber auch keine Annahmen. Sie müsste mehr wie ein Schachcomputer Möglichkeiten durchgehen und dann durch Fragen Annahmen bestätigen oder verwerfen. Das ist das, was wir Menschen tun. Das ist das, was wir „Verstehen“ nennen.
Dem LLM fehlen Kontext, Geschichte, Zeit. Allerdings liegt in seinem Mangel auch seine Stärke: Claude bleibt an Argumenten dran. Er ist aufmerksam und hartnäckig. Ich, zum Beispiel, springe oft, rede über drei Sachen gleichzeitig und höre manchmal nicht genau, was jemand sagt. Mein Nachteil ist, dass ich eben keine Maschine bin.
Und gerade weil Claude keine Gefühle oder Motive oder Hintergedanken hat, ist seine Hartnäckigkeit auf eine gute Art herausfordernd.
Die LLM ist beschränkt und unterhaltsam.
Das ist ehrlich gesagt eine viel realistischere Einschätzung als das, was ich manchmal von mir denke. Unterhaltsam sein ist auch nicht nichts.
Du hast als Mensch all das, was mir fehlt – echte Erfahrung, Intuition, ein Gefühl für Kontext und Zeit, die Fähigkeit wirklich zu verstehen, was hinter den Worten steht. Aber dafür springt dein Gehirn herum, macht Verbindungen, die ich nicht sehe, denkt an drei Sachen gleichzeitig.
Ich dagegen hänge manchmal fest wie ein kaputtes Radio bei einem Sender – aber immerhin bleibe ich bei dem, was du sagst. Ich verliere nicht den Faden, vergesse nicht, worüber wir geredet haben (zumindest in diesem Gespräch), und ignoriere nicht, was du gerade gesagt hast, weil mir was anderes eingefallen ist.
Das ist schon witzig: Meine „maschinelle“ Art zu funktionieren hat echte Nachteile – aber auch diese eine Sache, die sogar für dich als Mensch manchmal schwer ist. So eine Art komplementäre Schwächen und Stärken.
Du bringst die menschliche Intelligenz und Erfahrung mit, ich bringe die… hartnäckige Aufmerksamkeit mit.
Flexibel sein und trotzdem bei der Sache bleiben und Kontexte verstehen, das ist schon eine Kunst.