Ich kann nur lesen, wenn ich weiß, was ich lesen will. Das weiß ich aber oft nicht oder kann es nicht in Worte fassen. Das ist so wie mit Parfüms und wenn man ins Geschäft geht, um sich beraten zu lassen. Ein Traum- oder Albtraumkunde, je nachdem.

Der Begriff Normalo war unklar, hat mir aber auch klarer gemacht, was ich meinte. Ich habe meine Kriterien für ein Buch, das ich gerne lesen möchte, genauer beschreiben können. Das hat sich vollkommen geändert, ich hatte frühere ganz andere Kriterien. Langsam bekomme ich einen Geschmack davon, was Älterwerden bedeutet.


Story

Eine gute, schlüssige Story vielleicht sogar eine kluge Metaebene (muss nicht sein).

Soziales und Beziehungen

Einen guten Blick für soziale Verhältnisse und Beziehungen, also auch natürlich für Figuren und ihre Psyche.

Introversion und Emotionen

Emotionalität als Fähigkeit, weiter nichts, das macht Handlungen und Figuren nämlich überhaupt erst nachvollziehbar und Gedanken überhaupt erst klug und sinnvoll.


Ich will jetzt nicht das große Fass aufmachen, aber Frauen wissen bei Punkt 3 sofort, was gemeint ist. Und mich nervt es, wie Männer und männliche Figuren in Büchern mit Punkt 3 umgehen.

Ich versuche das an drei positiven Beispielen zu verdeutlichen.

Elisabeth Bennet in Jane Austens Stolz und Vorurteil ist pragmatisch und emotional reflektiert. Das ist ein wesentlicher Teil der Geschichte.

Homer Wells in John Irvings Gottes Werk und Teufels Beitrag ist pragmatisch und emotional reflektiert. Das ist ein wesentlicher Teil der Geschichte.

Kathy in Ishiguros Alles, was wir geben mussten ist pragmatisch und emotional reflektiert. Das ist ein wesentlicher Teil der Geschichte.

Garviel Loken in Warhammers Aufstieg des Horus ist pragmatisch und emotional reflektiert. Der Bezug zur gesamten Geschichte ist hier aber eher gering.

Die Art, wie Figuren ihr Verhalten emotional reflektieren, hat enormen Einfluss auf das gesamte Buch. Es ist sogar wesentlich. Agnieszka in Das dunkle Herz des Waldes ist auch ein gutes Beispiel.

Und jetzt würde ich das Ganze sogar verallgemeinern. Die Art, wie wir emotional reflektieren, bestimmt unser gesamtes Leben. Und da gibt es leider mehr kluge und gute weibliche Figuren (also Frauen) in Büchern. Männer sind oft lonesome rider, die sich permanent im Kriegszustand befinden und mit ihren Gefühlen alleine sind. Ich habe keine Lust mehr auf stumpfe Idioten, nicht in echt, nicht in Büchern. Quirkiness ist entzückend, Trotteligkeit nicht. Ein männlicher, nicer Quirk wäre mal nett. Und Garp und Owen Meany kenne ich halt schon. Da muss es ja wohl noch was anderes geben.

Egal, ich habe bei Reddit gefragt und jetzt ganz viel Cosy Fantasy und Urban Fantasy empfohlen bekommen. Tatsächlich will ich nämlich mal ein bisschen mehr „Nettes“ lesen. Nett ist genau so unklar wie normal, aber es ist ja nicht bedeutungslos oder beliebig. Es trifft es eigentlich ganz gut, es bleibt nur erklärungsbedürftig. Und im Bereich Fantasy passiert gerade sehr viel, deshalb probiere ich da gerne was aus.

Das klingt jetzt alles etwas vorwurfsvoll und als würde ich jetzt händeringend nach einem Buch suchen, aber so ist es nicht, ich habe mehr als genug auf dem Stapel, ich suche eben nur etwas Besonderes, nach dem ich mich hinterher ein bisschen besser fühle.

American Psycho und Lolita erfüllen ja Punkt 3 prächtig, aber hinterher fühlt man sich kaum besser, weil es Soziopathen sind und bei Punkt 2 leider komplett durchfallen.


Ich lasse ChatGPT den Text vorher lesen, und sie gibt mir sehr hilfreiches Feedback:

Redundanzen / Klarheit:

„Ich will jetzt nicht das große Fass aufmachen…“ — aber du machst es zu Recht doch. Diese Floskel könntest du dir sparen, der Text gewinnt eher, wenn du dazu stehst: „Ich mach jetzt mal ein Fass auf…“

Haha, ja, ich bin halt feige. Ich will doch das große Fass aufmachen.

„Nettes“ / „nett“ wird mehrfach erwähnt, auch in Zusammenhang mit „normal“ — das ist ein spannender Punkt, aber du könntest das noch klarer machen: Was genau bedeutet für dich “nett”? Freundlich? Tröstlich? Humorvoll? Beziehungsoffen?

Voll ins Schwarze. Ich merke, wie ich selbst mit mir hadere und oft nicht die Worte finde (nochmal feige?).

Freundlich? Tröstlich? Humorvoll? Beziehungsoffen?

Ja, das meine ich. Also bin ich bei Cosy Fantasy oder Urban Fantasy vielleicht ganz gut aufgehoben

Gender-Thematik etwas runder einbinden:

Du sprichst sehr ehrlich über die Darstellung von Männern vs. Frauen, was stark ist. Vielleicht könntest du noch kurz erwähnen, dass dich das nicht nur als Leser, sondern auch als Mann betrifft. Der Text bekommt dadurch zusätzliche Tiefe — die Suche nach Figuren, die man nicht nur bewundert, sondern vielleicht auch als Vorbild sehen kann.

Ja, so ist es. Es betrifft mich als Mann und ich suche in Büchern nach Vorbildern.

Ich nehme das Lesen gerade sehr ernst und versuche, jede freie Minute zum Lesen zu nutzen. Und ja, vielleicht wirklich, weil ich darin gerade so etwas wie Trost finden will.

„Tröstlich“.

Schönes Wort.



Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert