Ernsthaft Tanzen lernen und gleichzeitig seinen Weg finden, ist nicht so einfach. Für mich ist das nicht einfach, weil ich weiß, dass Tanzen etwas für mich ist, was nicht so einfach seine Form findet. Wenn ich es mir recht überlege, hat es nie irgendeine erkennbare Form gehabt, aber etwas ganz Wesentliches seit frühester Kindheit. Musik, Rhythmus und Bewegung haben mein Denken bestimmt, bevor ich ernsthaft denken konnte.

Seit drei Jahren arbeite ich daran, das hervorzubringen, und eine Ballettausbildung schien mir die Grundlage. Das ist sie auch, alleine schon deshalb, weil es die am weitesten verbreitete und bestausgearbeite Methodik und Technik ist.

Wenn man Ballett ernsthaft und ausschließlich tanzen will, dann sollte man sich genau darauf alleine konzentrieren, aber ich will tanzen lernen und für mich war klar, dass ich irgendwann weiter denken muss. Das war nicht so einfach, denn ich hatte Angst, das zu verlieren, was ich mir erarbeitet hatte. Es war ja schwer genug zu sagen: Ich bin Ballett-Tänzer. Ich bin überzeugt, dass man sich das sagen muss, denn wenn man nicht mit ganzem Herzen und Konzentration dabei ist, dann kommt man nicht weiter. Die Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand ist ja – nüchtern betrachtet – unerreichbar groß, aber letztendlich geht es nur darum, beide Zustände genau zu vermessen und den Abstand zu verringern. Ballett ist auch Technik.

Aber das alleine reicht nicht, obwohl es mehr als das ist, was ich mir überhaupt vorstellen kann, reicht es mir gleichzeitig ist. Aus diesem Teufelkreis des Ballett-Disziplin musste ich irgendwann heraustreten, ohne Gefahr zu laufen, es zu verlieren.

Zum Glück habe ich eine Lehrerin in zeitgenössischem Tanz, die eine Ballettausbildung hat, die Elemente werden also aufgenommen, aber durch vieles mehr erweitert. Und das befreit und öffnet mir neue Wege.

Das Batsheva Dance Theater, also das, was ich von ihm in Video-Ausschnitten gesehen habe, hat mich mehr als nur fasziniert. Die Bewegungen wirken wie ein Befreiungsschlag des Tanzes, mit einer Kraft und Eleganz, die mich geradzu erschüttert. Ich wusste: Wenn ich da genauer hinsehe, liegt mein Ballett in Trümmern. Und dazu muss ich erst bereit sein, nämlich Ballett in jedem Moment trotzdem tanzen zu können.

Ich werde also Ballett weiter lernen, aber mit einem anderen Maßstab. Ich werde aber vor allem eines verfolgen, was seit einiger Zeit mein Ziel ist: jede Bewegung Tanz werden lassen, mir noch mehr die Möglichkeiten meines Körpers bewusst machen und seinen Bewegungsraum erweitern.

Ich habe mir das Konzept von GAGA näher angesehen, auf dieser Website findet man einen Erfahrungsbericht und Auszüge des Handouts von Ohad Naharin.

Gaga is a new way of gaining knowledge and self awareness through your body. Gaga is a new way for learning and strengthening your body, adding flexibility, stamina and agility while lightening the senses and imagination. Gaga raises awareness of physical weaknesses, awakens numb areas, exposes physical fixations and offers ways for their elimination. Gaga elevates instinctive motion, links conscious and subconscious movement. Gaga is an experience of freedom and pleasure. In a simple way, a pleasant place, comfortable close, accompanied by music, every person with himself and others.

Also habe ich mir eine Playlist zusammengestellt und probiere es aus. Ich habe meine Bewegungen auf Video aufgenommen um zu erkennen, woran ich arbeiten muss. Es ist ganz deutlich: der gesamte Rücken muss in die Bewgungen aufgenommen werden, Bewegungsmöglichkeiten viel mehr ausprobiert werden. Ich nehme die Bewegungen in den Alltag auf und anstatt Haltungen einzunehmen, bleibe ich immer in Bewegung, immer aus dem Rücken raus, denn er ist einseitig entwickelt.

Wie sehr eine Tanzart den Körper einseitig entwickeln kann, zeigt sich in meinem Swing-Kurs. Eine Partnerin hat vorher Irish Dance getanzt und es ist für mich praktisch unmöglich, mit ihr zu tanzen, wir tanzen für uns, aber da ist keine Verbindung. Ich glaube, Irish Dance könnte man durch Roboter ersetzen lassen.

In diesem Podcast gibt es einen achtminütigen Ausschnitt von Hofesh Shechters „Uprising“ (117, unten) (Ich weiß nicht, wie man iTunes-Inhalte vernünftig verlinken kann. Wenn man in iTunes nach „Hofesh Shechter Uprising“ sucht, findet man es), und als ich den gesehen habe, dachte ich: so will ich (auch) tanzen.

Swing und Lingy Hop nehme ich mit, weil es Spaß macht, Ballett behalte ich bei und arbeite an Sprüngen und Drehungen, mit denen ich mir die Luft erobere und die Schwerkraft aushebel, so gut es geht (und ich bin verdammt nochmal nicht sehr weit damit gekommen, an meinen eigenen Maßstäben gemessen), Martha Graham probiere ich weiter aus, es könnte sein, dass es für Rücken, Arme und Atmung gut ist, aber im zeitgenössischen Tanz liegen noch andere musikalische Möglichkeiten und vor allem: Groove.

Das muss ich mir irgendwie autodidaktisch erarbeiten.