Mein Karatelehrer hatte uns damals etwas gesagt, was mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist, weil das Bild so einprägsam war: Die Lernkurve beim Karate ist eigentlich keine Kurve, sondern eine Treppe mit sehr flachen und langen Stufen, man läuft also langelangelange ohne Lernzuwachs und macht dann einen kleinen Schritt nach oben, und der kommt meistens plötzlich und unerwartet.
Lernen stellt man sich gerne in Form eines Ziels vor, übtübtübt und kann es dann. Je komplexer jedoch der Vorgang wird, desto höher der Grad an Geschicklichkeit, und dann wird es auch mit dem Lernen kompliziert, weil das Ziel nicht ganz so eindeutig ist oder in kleine Schritte zerlegt werden muss.
Ballett lernt man in ganz vielen kleinen Teilschritten und man braucht viel Geduld und Kraft für jeden einzelnen Schritt.
Grundsätzlich lernt man es, indem man es macht, so oft wie möglich und jedes Mal von vorne bis hinten, immer und immer wieder über Jahre, bis man dann mit dem Gefühl belohnt wird eine Bewegungsabfolge automatisch zu Musik auszuführen.
Auch die Profitänzerinnen und -tänzer fangen jeden Tag morgens mit den Übungen an, die man auch als Anfänger oder Anfängerin lernt, nur schneller und komplexer in der Abfolge (Über den Anfang, die Pliés, werde ich später noch berichten).
Einfache Ziele für die Übung
Das ist praktisch beim Ballet: Die Abfolge ist immer ähnlich. Es gibt bestimmte Figuren, die an der Stange mit zunehmender Steigerung die Muskeln aktivieren und dehnen, danach macht man Übungen im Raum ohne Stange, was zusätzlich die Balance trainiert, anschließend übt man Sprünge, für die die Muskeln und Sehnen gut vorbereitet sein müssen, und dann gibt es im Anfängerstadium noch ein paar kleine Bewegungsabläufe, die die Vorstufe zum Tanzen sind. Die Fortgeschrittenen machen dann hier weiter.
Man braucht viel Geduld.
Komplexe Ziele aufsplitten und sich die perfekte Bewegung vorstellen
Damit die eigentlichen Tanzfiguren richtig ausgeführt werden können und gut aussehen, muss man die Einzelbewegung beherrschen. Es ist hilfreich, sich die perfekte Figur ganz genau vorzustellen beim Üben. Deshalb sind DVDs, Youtube und Bücher mit Fotos so wichtig für mich. Ich finde sogar Image-Videos hilfreich, weil es so eine Vorstellung der Gesamtästhetik vermittelt. Auch wenn die eigenen Ergebnisse nicht einmal ansatzweise heranreichen, ist es für mich als Motivation und Zielvorstellung sehr wichtig. Ich recherchiere und sammle sehr viel, nicht nur aus Sammelleidenschaft, sondern vielmehr um eine Vorstellung zu entwickeln und einen Maßstab für mich zu finden.
Immer wenn ich unsicher bin oder mir meine Vorstellung davongallopiert und ich den Faden verliere, stelle ich mich an die Stange, mache die Klaviermusik an und übe meine Pliés. Das ist beinahe so eine Art Meditation für mich geworden.